Urteil vom 18. November – VIII ZR 266/14

Der Bundesgerichtshof hat heute – unter teilweiser Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung – entschieden, dass eine Mieterhöhung nach § 558 BGB auf der Basis der tatsächlichen Wohnfläche zu erfolgen hat, unabhängig davon, ob im Mietvertrag eine abweichende Wohnfläche angegeben und wie hoch die Abweichung von der tatsächlichen Wohnfläche ist.

Der Sachverhalt:

Der Beklagte ist Mieter einer 5-Zimmer-Wohnung der Klägerin in Berlin. Im Mietvertrag sind die Wohnfläche mit 156,95 qm und die monatliche Miete mit 811,81 DM angegeben. Tatsächlich beträgt die Wohnfläche 210,43 qm.

Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Zustimmung zur Erhöhung der derzeitigen Bruttokaltmiete von 629,75 € auf insgesamt 937,52 €. Dies begründet sie damit, dass sie nach den allgemeinen Mieterhöhungsvorschriften* zu einer Erhöhung der momentan geschuldeten Miete um 15 % (94,46 €) sowie darüber hinaus wegen einer Überschreitung der vertraglich vereinbarten Wohnfläche um 33,95 % zu einer entsprechenden weiteren Anhebung berechtigt sei. Der beklagte Mieter hat nur einer Mieterhöhung um 94,46 € zugestimmt Die auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung um weitere 213,31 € gerichtete Klage der Vermieterin ist in den Vorinstanzen abgewiesen worden.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die vom Landgericht zugelassene Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat hat entschieden, dass es im Mieterhöhungsverfahren nach § 558 BGB nur auf die tatsächliche Wohnungsgröße ankommt. § 558 BGB soll es dem Vermieter ermöglichen, eine angemessene, am örtlichen Markt orientierte Miete zu erzielen. Für den Vergleich ist deshalb allein der objektive Wohnwert der zur Mieterhöhung anstehenden Wohnung maßgeblich, während etwaige Vereinbarungen der Mietvertragsparteien über die Wohnungsgröße im Mieterhöhungsverfahren keine Rolle spielen können, denn sonst würden nicht die tatsächlichen, sondern vertraglich fingierte Umstände berücksichtigt. An seiner früheren Rechtsprechung, dass der Vermieter sich an einer im Mietvertrag zu niedrig angegebenen Wohnfläche festhalten lassen muss, wenn die Abweichung nicht mehr als zehn Prozent beträgt. hält der Senat deshalb nicht mehr fest. Entsprechendes gilt für den umgekehrten Fall, dass die Wohnfläche im Mietvertrag zu groß angegeben ist; hier kann der Vermieter die Miete gemäß § 558 BGB ebenfalls nur auf der Grundlage der tatsächlichen (niedrigeren) Wohnfläche erhöhen.

Neben der Berücksichtigung der wirklichen Wohnungsgröße im Rahmen der allgemeinen Mieterhöhungsvorschriften (§ 558 BGB) – das heißt unter Beachtung der Kappungsgrenze – besteht für den Vermieter keine weitere Möglichkeit der einseitigen Mietanpassung. Insbesondere ergibt sich aus einer unzutreffenden Wohnflächenangabe im Mietvertrag noch kein Anwendungsfall eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB**). Dem steht bereits entgegen, dass die zutreffende Ermittlung der tatsächlichen Wohnfläche regelmäßig in die Risikosphäre des Vermieters fällt.

Vorinstanzen:

Amtsgericht Charlottenburg – Urteil vom 2. Dezember 2013 – 237 C 302/13

Landgericht Berlin – Urteil vom 11. September 2014 – 18 S 413/13

Karlsruhe, den 18. November 2015

*§ 558 BGB Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete

(1) 1Der Vermieter kann die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete in dem Zeitpunkt, zu dem die Erhöhung eintreten soll, seit 15 Monaten unverändert ist. 2Das Mieterhöhungsverlangen kann frühestens ein Jahr nach der letzten Mieterhöhung geltend gemacht werden. 3Erhöhungen nach den §§ 559 bis 560 werden nicht berücksichtigt.

(2) 1Die ortsübliche Vergleichsmiete wird gebildet aus den üblichen Entgelten, die in der Gemeinde oder einer vergleichbaren Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage einschließlich der energetischen Ausstattung und Beschaffenheit in den letzten vier Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen nach § 560 abgesehen, geändert worden sind. 2Ausgenommen ist Wohnraum, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist.

(3) 1Bei Erhöhungen nach Absatz 1 darf sich die Miete innerhalb von drei Jahren, von Erhöhungen nach den §§ 559 bis 560 abgesehen, nicht um mehr als 20 vom Hundert erhöhen (Kappungsgrenze). 2Der Prozentsatz nach Satz 1 beträgt 15 vom Hundert, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist und diese Gebiete nach Satz 3 bestimmt sind. 3Die Landesregierungen werden ermächtigt, diese Gebiete durch Rechtsverordnung für die Dauer von jeweils höchstens fünf Jahren zu bestimmen. […]

** § 313 Störung der Geschäftsgrundlage

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen. […]

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

Sehen Sie dazu auch das Urteil vom: 19. März 2014 Mieterhöhung durch neuen Grundstückseigentümer

Mit Urteil vom 14.09.2011 – Az. VIII ZR 301/10 – entschied der BGH, dass eine fristlose Kündigung des Vermieters zulässig ist, sofern bei mehrfach unpünktlichen Mietzahlungen der Mieter vom Vermieter deswegen abgemahnt wurde und er dennoch erneut unpünktlich zahlt. Nach der Abmahnung reicht bereits eine weitere unpünktliche Zahlung, um eine fristlose Kündigung erklären zu können. Nach BGH steht dem auch nicht entgegen, dass der Vermieter vor der Abmahnung die verspäteten Zahlungen eine Zeitlang nicht beanstandet hatte.

Sehen Sie dazu auch das Urteil vom: 21. Oktober 2009 Unzulässige fristlose Kündigung des Vermieters bei unpünktlicher Mietzahlung durch das Sozialamt

Sollte bei einer Eigenbedarfskündigung der Eigenbedarf nur vorgetäuscht sein, um den Mieter aus der Wohnung zu bekommen und nach dessen Auszug anstatt der im Kündigungsschreiben genannten Person ein ganz anderer Mieter, der nicht unter die für den  Eigenbedarf begünstigten Personen fällt, in die Wohnung einziehen, dann kann der gekündigte Mieter von dem Vermieter Schadenssersatz verlangen. Dies gilt sogar dann, wenn die Parteien zuvor einen Vergleich geschlossen haben, worin der Mietvertrag deswegen aufgehoben worden war.

BGH- Urteil vom 10.06.2015,  VIII ZR 99/14

Sehen Sie dazu auch das Urteil vom: 04.02.2015 – Eigenbedarfskündigung schon nach 2 Jahren Mietzeit

LG Berlin, Urteil vom 17.10.2014, GE 2015,323

Hier wurden vom LG folgende Grundsätze aufgestellt:

1. Eine Abmahnung, die einer fristlosen Kündigung vorausgeht, muss die gerügten Störungen so genau beschreiben, dass für den Mieter nachvollziehbar ist, welches Verhalten vom Vermieter als vertragswidrig reklamiert wird; nur der pauschale Hinweis auf Störungen der Nachtruhe reicht dazu nicht aus.

2. In der späteren Kündigungserklärung muss das gerügte Verhalten entsprechend der Abmahnung nach Art, Ort und Zeit hinreichend beschrieben werden.

Sehen Sie dazu auch das Urteil vom: 20.02.2015 – Abmahnung zur Vorbereitung einer fristlosen Kündigung

LG Berlin, Urteil vom 20.02.2015, GE 2015,452

Eine Fristlose Kündigung ist auch wegen eines länger als 1 Monat dauernden Rückstandes einer Betriebskostennachforderung in Höhe von 2 Monatsmieten gerechtfertigt.

Sehen Sie dazu auch das Urteil vom: 21. Oktober 2009 – Unzulässige fristlose Kündigung des Vermieters bei unpünktlicher Mietzahlung durch das Sozialamt

Eine außerordentliche fristlose Kündigung ist auch dann zulässig, wenn der sozialhilfeberechtigte Mieter zur pünktlichen Mietzahlung nicht in der Lage ist, obwohl er rechtzeitig einen Antrag auf Sozialhilfe gestellt hat, die zur Mietzahlung erforderlichen Unterkunftskosten jedoch nicht rechtzeitig bewilligt worden sind.

BGH- Urteil vom 04.02.2015,  Az.: VIII ZR 175/14

Sehen Sie dazu auch das Urteil vom: 21. Oktober 2009 – Unzulässige fristlose Kündigung des Vermieters bei unpünktlicher Mietzahlung durch das Sozialamt

Nach dem BGH ist ein Vermieter nicht berechtigt, das Mietverhältnis wegen unpünktlichen Mietzahlungen fristlos zu kündigen, wenn Verzögerungen der Mietzahlungen von jeweils einigen Tagen nur darauf beruhen, dass das Sozialamt nicht zu einer rechtzeitigen Zahlungsanweisung bereit ist. Die Mieter müssen sich insoweit auch nicht ein Verschulden des Amtes zurechnen lassen. Das Sozialamt handelt bei der Übernahme der Mietzahlungen nicht als Erfüllungsgehilfe des Mieters, sondern nimmt dabei nur staatliche Aufgaben der Daseinsvorsorge wahr. Der Mieter schaltet die Behörde also nicht als Hilfsperson zur Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen aus dem Mietverhältnis ein, sondern wendet sich nur deshalb an die staatliche Stelle, um den eigenen Lebensunterhalt sicherzustellen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob das Sozialamt anschließend die Kosten der Unterkunft an den Hilfebedürftigen selbst zahlt oder direkt an den Vermieter überweist.

BGH-Urteil vom 21. Oktober 2009 – AZ: VIII ZR 64/09

Sehen Sie dazu auch das Urteil vom: 04.02.2015 – Kündigung bei unverschuldeter Geldnot des Mieters wirksam

Die Eigenbedarfskündigung kurz nach Abschluss des Mietvertrags wurde von den Gerichten in der Vergangenheit als rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam angesehen. Der BGH sieht dies nunmehr als zu pauschal an und hat entschieden, dass eine Kündigung von Wohnraum wegen Eigenbedarfs für einen Familienangehörigen nicht rechtsmissbräuchlich ist, wenn der Eigenbedarf zwar nur kurze Zeit nach Abschluss des Mietvertrages entstanden ist, bei Abschluss des Mietvertrages aber noch nicht absehbar war.

Es ist daher in jedem Fall zu klären, ob der Vermieter bei Abschluss des Mietvertrags den baldigen Eigenbedarf absehen konnte.

BGH- Urteil vom 20. März 2013, AZ: VIII ZR 233/12  in NZM 2013, 419

Sehen Sie dazu auch das Urteil vom: 04.02.2015 – Eigenbedarfskündigung schon nach 2 Jahren Mietzeit

Eine Formularklausel über Schönheitsreparaturen bei  einer vom Mieter bei Einzug unrenoviert übernommenen Wohnung ist, sofern sie  ohne angemessenen Ausgleich auferlegt wurde, unwirksam (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB).

Begründung: Infolge einer solchen Klausel wäre der Mieter zur Beseitigung sämtlicher Gebrauchsspuren des Vormieters verpflichtet, obwohl er diese ja selbst gar nicht verursacht hat. Dies führt aber bei verbraucherfeindlichster Auslegung dazu, dass der Mieter die Wohnung unter Umständen vorzeitig renovieren oder gegebenenfalls in einem besseren Zustand zurückgeben müsste, als er sie selbst bei Einzug erhalten hat.  Auch anteilige Zahlungen infolge einer Quotenabgeltungsklausel vor Ablauf der Renovierungsfristen sind damit nicht geschuldet, denn es kann nicht sein, dass Mieter, sofern sie vor Fälligkeit der Renovierungsfristen ausziehen, für eine unrenoviert übernommene Wohnung Schadensersatz zahlen sollen.

BGH- Urteil des VIII. Zivilsenats vom 18.3.2015 – VIII ZR 185/14.

 

Zahlt der Mieter trotz vorangegangener Abmahnung wiederholt eine Miete unpünktlich, so kann zwar eine fristlose bzw. ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein, doch ist dann auch der Grund der Verzögerung (Krankheit, Verlust des Arbeitsplatzes) zu berücksichtigen, vor allem wenn das Mietverhältnis schon lange besteht. Das hat dann zur Folge, dass das Vertrauen des Vermieters in eine vertragsgemäße Zahlungsmoral nicht nachhaltig erschüttert sein muss und eine ordnungsgemäße Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen in Zukunft zu erwarten sein kann.

LG Berlin, Urteil vom 16.09.2014,Das Grundeigentum 2014, 1652