Die Aufforderung eines Arbeitgebers an die in seinem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer zu erklären, ob sie einer bestimmten Gewerkschaft angehören, kann die Koalitionsbetätigungsfreiheit der betroffenen Gewerkschaft unzulässig einschränken.

Die Klägerin – die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) – ist Mitglied der dbb tarifunion. Die beklagte Arbeitgeberin gehört dem Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern e.V. (KAV Bayern) an. Dieser schloss im Jahr 2006 mit ver.di und der dbb tarifunion jeweils einen gleichlautenden „Tarifvertrag Nahverkehrsbetriebe Bayern“. Nach deren Kündigungen und zunächst gemeinsam geführten Verhandlungen erzielte ver.di mit dem KAV Bayern am 20. August 2010 eine Einigung. Die dbb tarifunion erklärte die Verhandlungen am 25. August 2010 für gescheitert und kündigte die Durchführung einer Urabstimmung über Streikmaßnahmen an. Mit Schreiben vom selben Tag forderte die Arbeitgeberin die in ihrem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer auf, unter Angabe von Name und Personalnummer mitzuteilen, ob man Mitglied in der GDL ist oder nicht.

Die GDL hat von der Arbeitgeberin verlangt, es zu unterlassen, die in ihrem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer nach einer Mitgliedschaft in der GDL zu befragen. Eine solche Frage verletze ihre durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit und sei generell unzulässig. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat ihm mit Einschränkungen entsprochen. Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat den Antrag insgesamt abgewiesen.

Zwar beeinträchtigt die Fragebogenaktion die kollektive Koalitionsfreiheit der GDL. Art. 9 Abs. 3 GG schützt als koalitionsmäßige Betätigung den Abschluss von Tarifverträgen und hierauf gerichtete Arbeitskampfmaßnahmen. Die geforderte Auskunft verschafft der Arbeitgeberin genaue Kenntnis vom Umfang und Verteilung des Mitgliederbestands der GDL in ihrem Betrieb. Sie zielt nach Art und Weise der Befragung während einer laufenden Tarifauseinandersetzung mit Streikandrohung darauf ab, den Verhandlungsdruck der GDL unter Zuhilfenahme ihrer Mitglieder zu unterlaufen. Das von der Arbeitgeberin vorgebrachte Interesse, die mit ver.di erzielte Tarifeinigung umzusetzen, rechtfertigt eine solche Befragung nicht.

Gleichwohl hatte der nicht auf den vorstehenden Sachverhalt beschränkte, sondern alle denkbaren Fallgestaltungen umfassende Unterlassungsantrag der GDL aus deliktsrechtlichen Gründen keinen Erfolg. Der Senat hatte daher nicht darüber zu befinden, ob in einem sogenannten tarifpluralen Betrieb grundsätzlich ein Fragerecht des Arbeitgebers nach der Gewerkschaftszugehörigkeit besteht oder nicht. Die weiteren Unterlassungsanträge der GDL waren aus verfahrensrechtlichen Gründen abzuweisen.

Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 18. November 2014 – 1 AZR 257/13 –

Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil vom 7. November 2012 – 12 Sa 654/11 –

Quelle „Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 18.11.2014

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage der Schadensersatzpflicht eines Vermieters befasst, der den Mietern einer Dreizimmerwohnung, die sich aus beruflichen Gründen mehrere Jahre im Ausland aufhielten, die Untervermietung zweier Zimmer versagt hatte.

Die Kläger sind seit 2001 Mieter einer Dreizimmerwohnung der Beklagten in Hamburg. Sie halten sich seit 15. November 2010 in Kanada auf, weil der Kläger zu 2 zum 1. Januar 2011 eine befristete mehrjährige Arbeitstätigkeit in Ottawa aufgenommen hat. Mit Schreiben vom 19. August 2010 unterrichteten sie die Hausverwaltung der Beklagten von ihrer Absicht, die Wohnung – mit Ausnahme eines von ihnen weiter genutzten Zimmers – ab dem 15. November 2010 voraussichtlich für zwei Jahre an eine namentlich benannte Interessentin unterzuvermieten, weil sie sich in dieser Zeit aus beruflichen Gründen regelmäßig im Ausland aufhalten würden. Die Beklagte verweigerte die Zustimmung zur Untervermietung. Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts vom 4. Oktober 2011 wurde sie verurteilt, die Untervermietung der beiden vorderen Zimmer der Wohnung bis zum 31. Dezember 2012 an die von den Klägern benannte Interessentin zu gestatten.

Im vorliegenden Verfahren nehmen die Kläger die Beklagte auf Zahlung entgangener Untermiete im Zeitraum vom 15. November 2010 bis 30. Oktober 2011 in Höhe von insgesamt 7.475 € nebst Zinsen in Anspruch. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die vom Landgericht zugelassene Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass den Klägern nach § 553 Abs. 1 BGB* ein Anspruch auf Gestattung der Untervermietung der zwei vorderen Zimmer der Mietwohnung an die Untermietinteressentin zustand. Indem die Beklagte die Zustimmung zur Untervermietung verweigert hat, hat sie schuldhaft eine mietvertragliche Pflicht verletzt und ist zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens (Mietausfalls) verpflichtet.

Der Wunsch der Kläger, im Hinblick auf die (befristete) Arbeitstätigkeit des Klägers zu 2 im Ausland von berufsbedingt entstehenden Reise- und Wohnungskosten entlastet zu werden, stellt ein berechtigtes Interesse zur Untervermietung eines Teils der Wohnung dar. Dem Anspruch auf Gestattung der Untervermietung stand auch nicht entgegen, dass die Kläger nur ein Zimmer der Dreizimmerwohnung von der Untervermietung ausnahmen und auch dieses während ihres Auslandaufenthalts nur gelegentlich zu Übernachtungszwecken nutzen wollten. § 553 Abs. 1 BGB stellt weder quantitative Vorgaben hinsichtlich des beim Mieter verbleibenden Anteils des Wohnraums noch qualitative Anforderungen bezüglich seiner weiteren Nutzung durch den Mieter auf. Von einer „Überlassung eines Teils des Wohnraums an Dritte“ im Sinne des § 553 Abs. 1 BGB ist regelmäßig bereits dann auszugehen, wenn der Mieter den Gewahrsam an dem Wohnraum nicht vollständig aufgibt. Hierfür genügt es, wenn er ein Zimmer einer größeren Wohnung zurückbehält, um hierin Einrichtungsgegenstände zu lagern und/oder es gelegentlich zu Übernachtungszwecken zu nutzen.

Die Beklagte kann sich hinsichtlich der verweigerten Zustimmung zur Untervermietung nicht auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum berufen. Dass die Frage, ob ein Mieter Anspruch auf Zustimmung zur Untervermietung hat, wenn er einen mehrjährigen Auslandsaufenthalt antritt, während dessen er den ihm verbleibenden Teil des Wohnraums nur sporadisch nutzen wird, bislang noch nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung gewesen ist, entlastet die Beklagte nicht von ihrer rechtlichen Fehleinschätzung. Denn sie hätte sich mit Rücksicht auf eine insoweit bestehende Rechtsunsicherheit nicht der Möglichkeit verschließen dürfen, dass sie zur Erteilung der Erlaubnis verpflichtet war, und durfte das Risiko einer Fehleinschätzung nicht den Mietern zuweisen.

* § 553 BGB Gestattung der Gebrauchsüberlassung an Dritte

(1) Entsteht für den Mieter nach Abschluss des Mietvertrags ein berechtigtes Interesse, einen Teil des Wohnraums einem Dritten zum Gebrauche zu überlassen, so kann er von dem Vermieter die Erlaubnis hierzu verlangen. (…)

Urteil vom 11. Juni 2014 – VIII ZR 349/13

AG Hamburg – Urteil vom 6. Juni 2013 – 44 C 257/12

LG Hamburg – Urteil vom 26. November 2013 – 316 S 57/13

Karlsruhe, den 11. Juni 2014

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Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom11.06.2014.

Frage: Es treten vermehrt Mandanten, welche sich verändern und daher ihr Arbeitsverhältnis kündigen möchten, mit der Frage an mich heran, was sie denn dann als Abfindung von ihrem Arbeitgeber verlangen können.

Enttäuschung macht sich breit, wenn sie erfahren, dass eine Abfindung nur eine freiwillige einmalige Leistung des Arbeitgebers für den unverschuldeten Verlust des Arbeitsplatzes ist.

Da es sich um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers handelt, besteht auf Zahlung einer Abfindung kein Rechtsanspruch. Das ist vielen Arbeitnehmern nicht bekannt. Sie gehen vielmehr davon aus, dass ihnen eine solche in jedem Fall zusteht.

Aber auch sogar wenn der Arbeitgeber selbst gegenüber seinem Mitarbeiter eine Kündigung ausspricht, besteht kein Anspruch auf eine Abfindung

Nur wenn in Sozialplänen oder Tarifverträgen oder gar einzelvertraglich im Arbeitsvertrag die Zahlung einer Abfindung vereinbart wurde, besteht ausnahmsweise darauf ein Anspruch.

Wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer jedoch “loswerden“ möchte, eine Kündigung jedoch unwirksam wäre, weil für den Arbeitnehmer Kündigungsschutz, z.B. nach §§ 1, 23 oder 15 KSchG,  § 2 SGB IX oder § 9 MuSchG besteht, können die Parteien vertraglich vereinbaren, dass das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst/beendet wird.

Auch kann der Arbeitgeber in Verbindung mit einer betriebsbedingten Kündigung die Zahlung einer Abfindung anbieten, § 1a KSchG, sofern der Arbeitnehmer auf Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtet. Die Abfindung beträgt dann ein halbes Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. Der Arbeitgeber muss hierfür allerdings im Kündigungsschreiben ausdrücklich darauf hingewiesen haben: Kündigung erfolgt aus betriebsbedingten Gründen und Abfindung wird nur gezahlt, sofern der Arbeitnehmer auf Einlegung der Klage verzichtet.

Dem Arbeitnehmer steht dabei jedoch frei, ob er dieses Angebot annimmt. Er kann auch im Wege der Kündigungsschutzklage (unter Beachtung der 3 wöchigen Klagefrist) für den Erhalt seines Arbeitsplatzes kämpfen bzw. im Wege der Klage versuchen, eine höhere Abfindung zu erlangen. Doch auch bei einem gerichtlichen Vergleich bleibt die Zahlung einer Abfindung immer eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers, was bedeutet, dass dieser (auch vom Gericht) nicht zur Zahlung gezwungen werden kann.

Eine Kündigungsschutzklage geht stets auf Feststellung des Gerichts, dass die Kündigung unwirksam war und das Arbeitsverhältnis zu bisherigen Bedingungen fortbesteht. Hat die Klage Erfolg, so gibt es natürlich ebenfalls keine Abfindung.

Ist jedoch ersichtlich, dass die Klage erfolgreich sein wird, weil die Kündigung unbegründet und damit unwirksam war, und der Arbeitgeber den Mitarbeiter trotzdem „loshaben“ möchte, dann ist dieser oft bereit, von sich aus eine höhere Abfindung zu zahlen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer ihm nach Erhalt der Kündigung schriftlich angezeigt hat, dass er weiterhin seine Arbeitsleistung anbietet und den Chef damit in Annahmeverzug gesetzt hat, besteht für den Arbeitgeber bei langer Verfahrensdauer das Risiko den inzwischen angefallenen Lohn nachzahlen zu müssen, obwohl der Mitarbeiter während dieser Zeit nicht gearbeitet hat. Er „kauft“ sich mit der Abfindung sozusagen von dem Mitarbeiter „frei“.

Die Höhe der freiwillig zu zahlenden Abfindung hängt dabei also davon ab, welchen Kündigungsschutz der Mitarbeiter genießt. Je schwieriger es für den Arbeitgeber ist, den Mitarbeiter „loszuwerden“, desto mehr wird er dafür zahlen wollen. Ferner sind dabei das Alter des Arbeitnehmers, seine Betriebszugehörigkeit oder auch dessen Unterhaltsverpflichtungen zu berücksichtigen.

Als Anwalt muss man daher die Kündigung samt aller unternehmerischen Umstände prüfen, um beurteilen zu können, was im jeweiligen Fall an Abfindungszahlung überhaupt möglich wäre.

Eine Abfindung ist zwar i.d.R. mit der jeweiligen Lohnsteuerklasse zu versteuern, es sind von ihr jedoch keine Sozialabgaben wie Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung abzuziehen.

Wird eine Abfindung infolge eines gerichtlichen Vergleichs unter Angabe arbeitgeberseitiger betriebsbedingter Kündigung bei Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist bezahlt, so ist sie nicht auf das Arbeitslosengeld anzurechnen.

Bei Zahlung im Rahmen außergerichtlicher Vereinbarung, z.B. eines Aufhebungsvertrages, besteht jedoch das Risiko von Sperrzeiten und Anrechnung auf das Arbeitslosengeld.

Wenn Mandanten nachfragen, ob der vom Arbeitgeber vorgelegte Aufhebungsvertrag, welcher Zahlung einer Abfindung enthält, so unterschrieben werden kann, ist folgendes zu beachten:

Aufhebungsverträge werden mitunter auch nur deshalb angeboten, weil das Unternehmen weiß, dass eine Kündigung von vornherein unwirksam ist und man den Mitarbeiter behalten muss.

Dann steht zu überlegen, ob es unter Umständen wirtschaftlich vorteilhafter ist, den Aufhebungsvertrag abzulehnen und darauf zu warten, ob überhaupt eine Kündigung erklärt wird oder nicht. Es kommt also darauf an, ob der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz behalten möchte oder er eventuell versuchen möchte im Fall einer Kündigung auf dem Klage- bzw. gerichtlichen Vergleichswege eine höhere Abfindung herauszuhandeln.

Wird allerdings ein Aufhebungsvertrag geschlossen, so kann dieser danach nicht mehr im Klagewege (Kündigungsschutzklage) angegriffen werden. Allenfalls könnte er noch angefochten werden, sofern er infolge arglistiger Täuschung, Irrtums oder Drohung geschlossen wurde.

Wie oben schon erwähnt, besteht bei einem außergerichtlichen Aufhebungsvertrag das Risiko von Sperrzeiten und Anrechnung beim Bezug von Arbeitslosengeld:

Arbeitslosengeld wird vom Staat nur für den unverschuldeten Verlust des Arbeitsplatzes bezahlt. Bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages gibt man jedoch freiwillig und damit „verschuldet“ seinen Arbeitsplatz auf, so dass man dann nicht sofort Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld hat. Das Arbeitsamt verhängt dann eine mindestens 12 wöchige Sperrzeit, in der keine Zahlung erfolgt.

Eine solche Sperrzeit kann nur dann vermieden werden, sofern der Arbeitgeber vor Unterbreitung eines Aufhebungsvertrages dem Mitarbeiter eine betriebsbedingte Kündigung in Aussicht gestellt hat und ihm eine Abfindung von 0,25 bis höchstens 0,5 Monatsgehältern pro Beschäftigungsjahr angeboten hat. Ist die Abfindung höher, so kommt es zur Sperre.

Der vom Arbeitgeber unterbreitete Aufhebungsvertrag muss ferner unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist und im Hinblick auf betriebsbedingte Gründe geschlossen werden.

Wird also die Kündigungsfrist und damit die Vertragslaufzeit verkürzt, so wird ein Teil der Abfindung auf das Arbeitslosengeld angerechnet. D.h. neben der Sperrzeit ruht das Arbeitslosengeld bis zu einem Jahr, so dass der Zahlungsbeginn solange in die Zukunft verschoben wird, bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitslose 60 % der Abfindung verdient hätte, maximal aber für 1 Jahr. Nach Ablauf des Jahres erhält er restliches Arbeitslosengeld. Während der Ruhezeit ist der Arbeitslose allerdings nicht sozialversichert/krankenversichert und muss selbst für den nötigen Schutz sorgen.

Die Ruhezeit kann somit dazu führen, dass überhaupt kein Arbeitslosengeld bezahlt wird, wenn der Arbeitslose vorher schon wieder eine Arbeit findet (Ruhezeitraum ist z.B. ein Jahr, aber nach 8 Monaten findet der Arbeitslose einen neuen Job, so bekommt er für die 8 Monate Arbeitslosigkeit kein Arbeitslosengeld).

Es sollte daher nicht voreilig ein Aufhebungsvertrag abgeschlossen werden.

Dazu, welcher Weg bei einer Abfindung für Sie der wirtschaftlich Beste ist, berate ich Sie gerne.

 

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, welchen Vorschriften ein Mietverhältnis unterliegt, das sowohl eine Wohnnutzung als auch eine freiberufliche Nutzung umfasst (sogenanntes Mischmietverhältnis).

Die Beklagten sind Mieter, die Kläger Vermieter eines mehrstöckigen Hauses in Berlin. In dem schriftlichen Mietvertrag vom 20. November 2006 wurde den Mietern gestattet, die Räume im Erdgeschoss als Hypnosepraxis zu nutzen. Mit Schreiben vom 20. Februar 2012 kündigten die Kläger das Mietverhältnis ohne Angaben von Kündigungsgründen zum 30. September 2012. Nachdem die Beklagten der Kündigung* widersprochen hatten, erhoben die Kläger Räumungsklage beim Landgericht Berlin. Das Landgericht hat das Mietverhältnis als Wohnraummiete eingeordnet und die Klage mangels sachlicher Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen.

Auf die Berufung der Kläger hat das Kammergericht die Beklagten zur Räumung und Herausgabe des Hauses verurteilt. Es hat das Mietverhältnis als Gewerberaummietverhältnis eingestuft und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, ein Mischmietverhältnis, wie es hier gegeben sei, unterliege insgesamt entweder dem Wohnraum- oder dem Gewerberaummietrecht, je nachdem, welcher Vertragszweck nach dem Parteiwillen bei Vertragsschluss überwiege. Ausschlaggebend sei, dass die Beklagten in einem Teil der Mieträume mit dem Betrieb der Hypnosepraxis ihren Lebensunterhalt bestritten. Dies mache die freiberufliche Nutzung zum vorherrschenden Vertragszweck. Dem stehe auch nicht die Verteilung der Flächen auf die verschiedenen Nutzungszwecke entgegen. Denn die für die gewerbliche Nutzung und die für die Wohnnutzung vorgesehenen Flächen seien gleich groß. Da die gewerbliche Nutzung den Schwerpunkt des Mietverhältnisses bilde, sei – anders als bei der Wohnraummiete – für eine Kündigung* des Mietverhältnisses kein berechtigtes Interesse erforderlich.

Die vom Bundesgerichtshof zugelassene Revision hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat hat entschieden, dass das Berufungsgericht zwar zutreffend von einem Mischmietverhältnis, also einem einheitlichen Mietverhältnis über Wohn- und Geschäftsräume, ausgegangen ist, dessen Beurteilung sich wegen der von den Parteien gewollten Einheitlichkeit entweder nach den Bestimmungen der Wohnraummiete oder nach den Vorschriften der Geschäftsraummiete richtet. Ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht für die rechtliche Einordnung des Mietverhältnisses auf den überwiegenden Vertragszweck bei Vertragsabschluss abgestellt.

Dagegen hat der Bundesgerichtshof beanstandet, dass das Berufungsgericht den vorherrschenden Vertragszweck allein deswegen in der Nutzung zu freiberuflichen Zwecken gesehen hat, weil die Mieter in den angemieteten Räumen eine Hypnosepraxis betreiben und damit ihren Lebensunterhalt verdienen. Das Bestreiten des Lebensunterhalts durch eine freiberufliche oder gewerbliche Nutzung stellt kein sachgerechtes Kriterium für die Bestimmung des überwiegenden Nutzungszwecks dar. Es besteht kein allgemeiner Erfahrungssatz dahin, dass bei einem Mischmietverhältnis die Schaffung einer Erwerbsgrundlage Vorrang vor der Wohnnutzung hat. Dass das Wohnen als wesentlicher Aspekt des täglichen Lebens generell hinter der Erwerbstätigkeit des Mieters zurücktreten soll, lässt sich weder mit der Bedeutung der Wohnung als – grundrechtlich geschütztem – Ort der Verwirklichung privater Lebensvorstellungen, noch mit dem Stellenwert, dem das Wohnen in der heutigen Gesellschaft zukommt, in Einklang bringen.

Bei der gebotenen Einzelfallprüfung sind vielmehr alle auslegungsrelevanten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, wobei etwa der Verwendung eines auf eine der beiden Nutzungsarten zugeschnittenen Vertragsformulars, dem Verhältnis der für die jeweilige Nutzungsart vorgesehen Flächen und der Verteilung der Gesamtmiete auf die einzelnen Nutzungsanteile Indizwirkung zukommen kann. Lässt sich ein Überwiegen der gewerblichen Nutzung nicht feststellen, sind vorrangig die für die Wohnraummiete geltenden Vorschriften anzuwenden. Andernfalls würden die zum Schutz des Wohnraummieters bestehenden zwingenden Sonderregelungen unterlaufen.

Da die Auslegung des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft war und weitere Feststellungen nicht zu erwarten waren, hat der Senat die gebotene Vertragsauslegung selbst vorgenommen und entschieden, dass vorliegend unter anderem wegen des auf die Wohnraummiete zugeschnittenen Mietvertragsformulars, der für Gewerberaummietverhältnisse untypischen unbestimmten Vertragslaufzeit sowie wegen der Vereinbarung einer einheitlichen Miete ohne Umsatzsteuerausweis von einem Wohnraummietverhältnis auszugehen ist.

Urteil vom 9. Juli 2014 – VIII ZR 376/13

LG Berlin – Urteil vom 30. November 2012 – 12 O 268/12

KG Berlin -Urteil vom 12. August 2013 – 8 U 3/13

Karlsruhe, den 9. Juli 2014

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Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 09.07.2014.

Frage:

Sehr geehrte Frau Schübel,

ich habe vor drei Tagen die Kündigung von meinem Abeitgeber erhalten, mit der Begründung, dass ich häufig zu spät kommen würde, was nicht tolerierbar ist.
Ich arbeite seit 4 Jahren in der Firma und seit einem halben Jahr habe ich Abends einen Nebenjob (meine Frau bekam ein Kind), ohne den wir nicht über die Runden kommen würden. Aufgrund des Nebenjobs komme ich meistens erst um zwei Uhr Morgens zum Schlafen und muss aber um sechs Uhr schon wieder aufstehen, was mir sehr schwer fällt. Es ist deshalb so, dass ich deswegen schon öfters verschlafen habe und zwischen 30 und 60 Minuten zu spät zur Arbeit gekommen bin.
Meinem Arbeitgeber kann ich den Grund auch nicht erklären, weil ich glaube, dass ich nebenbei nicht arbeiten darf.
Kann man mir denn einfach so kündigen und muss ich mir das gefallen lassen?
Vielen Dank!

 

Antwort:

Die Kündigung dürfte unwirksam sein, da es sich hierbei um eine verhaltensbedingte Kündigung handelt. Bei einer solchen muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor abmahnen und ihm dadurch Gelegenheit geben, sein Verhalten zu ändern.
Eine verhaltensbedingte Kündigung ist möglich bei

a) erheblichem (rechtswidrigem und schuldhaften) Pflichtenverstoß des Arbeitnehmers gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten, z.B. Nichtleistung von Arbeit (auch Verspätungen oder Arbeitsverweigerung), Beleidigungen, Tätlichkeiten, Diebstähle, Unterschlagungen etc.

b) Verhältnismäßigkeit der Kündigung, d.h. es darf für den Arbeitgeber kein milderes Mittel als die Kündigung möglich sein, z.B. Abmahnung, d.h. erst wenn der Arbeitnehmer das abgemahnte Verhalten trotzdem wiederholt ist eine Kündigung zulässig.

c) Interessenabwägung, das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers muss das Fortsetzungsinteresse des Mitarbeiters überwiegen.

Eine Verspätung wäre danach aber nicht schuldhaft, wenn Sie im Stau stehen oder es wegen Ausfall von U- und S-Bahn zu Verspätungen kommt.

Solle in Ihrem Betrieb ein Betriebstrat bestehen, so müsste dieser vorab zu der Kündigung angehört worden sein.

Zur Ihrer Nebentätigkeit erlaube ich mir folgendes anzumerken:

Eine Nebentätigkeit ist jede Tätigkeit, die der Arbeitnehmer außerhalb seiner Arbeit ausübt.

Ist darüber im Arbeitsvertrag oder in einem anwendbaren Tarifvertrag nichts geregelt, so sind Nebentätigkeiten auch ohne Genehmigung Ihres Chefs erlaubt.

Die Ausübung einer Nebentätigkeit ist allerdings unzulässig, wenn Sie durch diese Nebentätigkeit so beansprucht werden, dass Sie Ihren Hauptarbeitsvertrag nicht mehr erfüllen können, weil Sie ständig zu müde sind. Dann ist Ihr Chef berechtigt, Ihnen die Ausübung dieser Tätigkeit untersagen.

Auch wäre das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) sowie das das BUrlG (§8) zu beachten, wonach der Arbeitnehmer zum Schutze seiner Gesundheit an zeitliche Höchstgrenzen von i.d.R. 8 Stunden pro Tag gebunden ist. Die bei verschiedenen Arbeitgebern geleisteten Stunden sind zu addieren. Ferner darf keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit während dem Urlaub ausgeübt werden.

Eine Nebentätigkeit ist dem Chef anzuzeigen, wenn durch die Ausübung berechtigte Interessen des Arbeitgebers berührt werden, z.B. wenn Verstöße gegen das ArbZG vorliegen, oder im Arbeitsvertrag hierzu Vereinbarungen getroffen wurden.

Sie sollten sich gegen diese Kündigung aber unbedingt zur Wehr setzen und spätestens innerhalb von 3 Wochen nach Zugang Kündigungsschutzklage erheben, ansonsten gilt diese nach Fristablauf vom Gesetz her als wirksam §§ 4, 7 KSchG.

Eine Klage sollte in jedem Falle erhoben werden, nicht nur wenn Sie den Arbeitsplatz behalten wollen, sondern auch wenn Sie eine gute Abfindung aushandeln oder nur erreichen möchten, dass in einem Vergleich festgestellt wird, dass das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen endete. Dies erleichtert es Ihnen dann schneller einen neuen Job zu finden.

Auch um eine Sperrzeit von bis zu 12 Wochen durch die Agentur für Arbeit zu verhindern sollten Sie gegen die Kündigung vorgehen. Bleiben Sie untätig, so geht das Arbeitsamt davon aus, dass Sie durch vertragswidriges Verhalten Anlass zur Kündigung gegeben und damit vorsätzlich oder grobfahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt haben (§ 159 I Nr.1 SGBIII).

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob der Vermieter ein Mietverhältnis kündigen kann, wenn er eine zuvor erteilte Untervermietungserlaubnis widerruft, der Untermieter die Wohnung aber nicht sogleich räumt.

Der Beklagte mietete von dem Rechtsvorgänger der Klägerin im Jahr 1994 eine Wohnung in Berlin. Im Mietvertrag heißt es: „Eine Untervermietung bis zu zwei Personen ist gestattet. Diese Untervermietungsgenehmigung kann widerrufen werden. Bei Aufgabe der Wohnung sind die Untermieter zum gleichen Zeitpunkt zu entfernen“.

Im Jahr 2010 erwarb die Klägerin das Eigentum an der Wohnung. Im Dezember 2011 widerrief sie die Untervermietungserlaubnis und kündigte zugleich das Mietverhältnis gegenüber dem Beklagten wegen unerlaubter Untervermietung fristlos. Zu diesem Zeitpunkt führte der Beklagte im Anschluss an eine von ihm ausgesprochene Kündigung* bereits einen Räumungsprozess gegen seine Untermieter, denen er seit 2002 die Wohnung untervermietet hatte. Im Februar 2012 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis erneut.

Das Amtsgericht hat die Räumungsklage der Klägerin abgewiesen, das Landgericht hat ihr stattgegeben. Die vom Bundesgerichtshof zugelassene Revision des Beklagten hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat hat entschieden, dass der Beklagte seine vertraglichen Pflichten aus dem Mietvertrag nicht verletzt hat und die Klägerin deshalb nicht gemäß § 543 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB* zur Kündigung* des Mietverhältnisses berechtigt war. Dabei konnte offen bleiben, ob der Beklagte, wie das Berufungsgericht angenommen hat, angesichts des Widerrufs der Untervermietungserlaubnis verpflichtet war, das Untermietverhältnis zu beenden und für eine einen Auszug der Untermieter zu sorgen. Denn der Beklagte hat im Anschluss an seine Kündigung* einen Räumungsprozess gegen die Untermieter betrieben und damit alle rechtlich zulässigen und erforderlichen Schritte unternommen, um eine Beendigung des Untermietverhältnisses und einen Auszug der Untermieter herbeizuführen. Der Beklagte hat seine vertraglichen Pflichten gegenüber der Klägerin auch nicht dadurch verletzt, dass er mit den Untermietern am 21. Februar/6. März 2012 einen Räumungsvergleich unter Bewilligung einer Räumungsfrist bis 30. Juni 2012 abschlossen hat. Denn mit der anderenfalls erforderlichen Fortsetzung des gerichtlichen Verfahrens hätte eine Räumung jedenfalls nicht deutlich früher erreicht werden können.

* § 543 BGB

(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund kündigen. (…)

(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn (…)

2. der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache (…) unbefugt einem Dritten überlässt.

Urteil vom 4. Dezember 2013 – VIII ZR 5/13

AG Berlin-Charlottenburg – Urteil vom 28. März 2012 – 212 C 188/11
LG Berlin – Urteil vom 14. Dezember 2012 – 65 S 176/12

Karlsruhe, den 4. Dezember 2013

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